Performances, Vorträge, Diskussionen und Musik am Schillerplatz
Die Akademie der bildenden Künste Wien lädt am 12. Oktober um 16 Uhr erstmals zum neuen Diskursformat "Platz nehmen" an eine öffentliche Tafel am Schillerplatz. Rektor Johan F. Hartle und Professor_innen wie Diedrich Diederichsen oder Katja Sterflinger, aber auch Studierende der Kunstakademie und Schauspieler_innen des Volkstheater Wien laden dazu ein, verschiedene Blickwinkel auf die historischen Figuren Friedrich Schiller und Johann von Goethe zu wagen und den Umgang der Kulturnation mit ihrem belasteten Erbe zu diskutieren.
Schiller Killer - Töte Goethe
Öffentliches Programm der Akademie der bildenden Künste Wien gemeinsam mit dem Volkstheater Wien
am 12. Oktober 2023, 16 - 18 h
Schillerplatz, 1010 Wien, Teinahme frei
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Programm
16 Uhr
Unendliche Begegnung
Performance von Nora Köhler, Studierende am Institut für bildende Kunst, Fachbereich Performative Kunst
Die riesigen Schiller- und Goethe-Statuen starren sich an, als wären sie in einer ewigen Konfrontation gefangen. Doch die Liebe zwischen ihnen schwebt wie ein Schleier über dem nie endenden Blickduell. Die Blicke der Statuen treffen sich in einem endlosen Wechselspiel, aus Zuneigung, Sehnsucht und Unverständnis. Zwischen ihnen: Stagnation, das menschliche Streben nach Verbindung und die Unfähigkeit, sich von der Stelle zu bewegen.
Die Performance von Nora Köhler, welche sie bereits 2019 im Rahmen des summer showing des Fachbereichs Performative Kunst am Schillerplatz gezeigt hatte, ist ein Experiment, ein Versuch, die Grenzen von Statuen zu überwinden.
16:15 Uhr
Schillerplatz
Impulsvortrag des Rektors Johan F. Hartle
Die Akademie der bildenden Künste Wien steht nicht zufällig am Schillerplatz. Mit seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen hat Schiller eine Gründungsschrift der modernen Ästhetik geschrieben und die Wichtigkeit ihrer allumfassenden gesellschaftlichen Vermittlung betont. Historisches Modell seiner Ästhetik ist, wie sich auch in Hansens Bau und Feuerbachs Bildprogramm erkennen lässt, die antike griechische Kultur. In ihrer Rezeptionsgeschichte ist Schiller, der Ehrenbürger der französischen Revolution war, mitunter zu einem deutsch-romantischen Nationalisten gemacht und auf abgründigste Weise heroisiert worden. Dennoch ist Schiller auch für zeitgenössische Denker_innen wie Gayatri Chakravorti Spivak oder Jacques Rancière Stichwortgeber geblieben. Was kann uns Schiller für die ästhetische Erziehung noch bedeuten? Welche Impulse gehen von der Weimarer Tradition auch und gerade für ein Zeitalter aus, in dem die Fiktion der Bürgerlichkeit vollumfänglich implodiert und eine Vielzahl von Krisen und Katastrophen ins Haus stehen? Der Impulsvortrag wird einige Motive aus den Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen und aus Schillers Text Über naive und sentimentalische Dichtung in einen heutigen Zusammenhang bringen.
16:35 Uhr
Das Pfirsichblüt – Über Goethes Farben und die Beschränktheit der wissenschaftlichen Gilden
Statement von Katja Sterflinger, Professorin am Institut für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst
Zu Goethes Farbenlehre gibt es vermutlich ebenso viele Abhandlungen und Meinungen wie es Farben in den „ordentlichen“ und „unordentlichen“ Spektren gibt. Von der Physik wurde seine Farbenlehre verspottet, von der Anthroposophie vereinnahmt, vom braven Bürgertum oft nicht verstanden aber dennoch gelobt. Fest steht: Goethes Werk zu den Farben ist nachhaltig, wir sprechen bis heute darüber. Weit vor Itten und Küppers beschäftige sich Goethe mit Farbkontrasten und weit vor Sérusier und Klee mit der Wirkung der Farben miteinander und deren psychischer Wirkung. Und: Goethe zweifelte – zu seiner Zeit, also noch bevor Wellen und Teilchen durch die Quantenphysik zu einander fanden, absolut zurecht – an der Farbtheorie Newtons. Goethe ergab sich dafür nicht der Magie, ganz im Gegenteil. Er war ein höchst präziser Beobachter und Experimentator und nicht zuletzt ein rebellischer Wissenschaftskritiker. Wenn Goethe also von sich sagte, dass er „in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzig sei, der das Rechte wisse“, dann mögen wir ihm das beinahe zugestehen.
16:50 Uhr
GEGEN GOETHE
Szenische Intervention von und mit Emil Borgeest, Studierender Fachbereich Szenografie, Konzeption, Regie und Darsteller, Frank Genser, Schauspieler Volkstheater Wien, Irem Gökçen, Schauspielerin Volkstheater Wien, Johanna Mitulla, Volkstheater Wien, Konzeption und Regie, Lukas Katzer, Volkstheater Wien, Komposition
Ausgehend von dem Pamphlet Gegen Goethe des französischen Schriftstellers Jules d’Aurevilly laden Johanna Mitulla, Irem Gökçen und Frank Genser vom Volkstheater Wien und Emil Borgeest von der Akademie der bildenden Künste Wien zu einem Spektakel auf dem Schillerplatz ein. Zwischen den steinernen Statuen von Goethe und Schiller werden die beiden Männer von den Performer_innen zu einem Duell herausgefordert, in dessen Zentrum die Frage steht, wie eine Auseinandersetzung mit einer längst vergangenen Zeit aussehen und was dadurch mit der Gegenwart bzw. der allseits gefürchteten Zukunft passieren kann. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“. Ganz genau. Werden Sie also Zeug_innen eines (vielleicht) noch nie dagewesenen Schauspiels, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Zeit rückwärts laufen zu lassen, Geister heraufzubeschwören und die Schwerkraft zu überwinden.
17:20 Uhr
Vorstellung der neuen Professor_innen für den Fachbereich Kontextuelle Kunst
Alice Creischer und Andreas Siekmann im Gespräch mit dem Rektor zu deren Praxis von Kunst im öffentlichen Raum
17:35 Uhr
Der Kanon der Armen
Lecture von Diedrich Diederichsen, Professor am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Goethe und Schiller sind keine kanonischen Bildungsgüter für die etablierte Mittel- und Oberschicht mehr; wenn, dann interessieren sich Spezialist_innen für sie, Theaterleute, Wissenschaftler_innen. Der bildungsbürgerliche Kanon reicht eher von Kafka (wenn's hoch kommt) zu T.C. Boyle. Goethe und Schiller sind aber die Namen für Bildung und den eigenen Ausschluss von Bildung für die sogenannte Unterschicht, die vermeintlich tatsächlich Ungebildeten. Ihnen rufen die Denkmäler zu: Ihr habt hier nichts zu suchen. Hin und wieder rächen sie sich durch Spottlieder. Davon und von Rudi Carell und Judge Dread soll hier die Rede sein.
Über die Akademie der bildenden Künste Wien
Die Akademie der bildenden Künste Wien zählt zu den renommiertesten und einflussreichsten Kunstuniversitäten der Welt. Sie ist fest im Gefüge der regionalen und internationalen Kulturlandschaft sowie in der Stadtgesellschaft etabliert und kann auf eine über 330-jährige Geschichte zurückblicken. Zu ihrem internationalen Renommee tragen ebenso die verschiedenen Institute mit ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten wie auch die herausragenden Kunstsammlungen bei.